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April 2003


Das Schlimme am kalten Kriegsprogramm der deutschen Fernsehsender ist, daß sich jeder noch so kleine Geist über große strategische und geopolitische Fragen äußern darf und auf allen Kanälen Generäle a.D. ihre banalen Erkenntnisse über Zangenangriffe und Verteidigungsringe verbreiten, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, daß sie aufgrund der amerikanisch-britischen Informationspolitik von jedem unabhängigen Bericht ausgeschlossen sind und man ihnen den berühmten Satz des Sokrates Ich weiß, daß ich nicht weiß in jeder Sekunde um die Ohren hauen möchte.
Es rührt sie nicht.

irakisches Dorf  

Einen kurzen Moment nicht inszenierter Rührung und ungespielter Fassungslosigkeit konnten die Zuschauer von France 3 erleben, als am Montag, 24. März 2003 angesichts der ersten öffentlich dokumentierten zivilen Kriegstoten die weibliche Moderatorin beim Besprechen der Horrorbilder die Fassung verlor und ihr Kollege auf sehr galante Weise die Sätze weitersprach, die ihr im Halse stecken geblieben waren.

Das Schlimme am heißen Kriegsprogramm der amerikanisch-britischen Fernsehsender dagegen ist, daß nicht der Hauch einer Distanz zu spüren ist, geschweige ein leiser Versuch kritischer Analyse in Richtung der eigenen Regierung, des Präsidenten, des Pentagon und der publizistischen Kriegsgewinnler, die diesen Krieg über Jahre angezettelt, organisiert und auf terroristische Weise durchgesetzt haben. Eingebettet in Bombenhagel und Kanonenschlag, dennoch selten wirklich in der Nähe verbrannter Körper und wimmernder Seelen, schienen die Eingebetteten aufgeregt auf die Klimax eines irakischen Senfgasangriffs zu warten, der natürlich ausblieb. Vielleicht stellen sie ihn noch nach, vielleicht geschieht er noch, ich sehne mich jedenfalls nicht so sehr danach wie diese Reporter.

Das Allerschlimmste war schließlich, daß niemand mehr die Courage hatte und hat, das Gemetzel mit seinen Urhebern und Drahtziehern in Verbindung zu bringen: der Rumsfeld-Perle-Wolfowitz-Bande nebst ihrem britischen Prediger Tony. Haben sie nicht jahrelang geschrieen: "Haltet den Dieb! Wer hat unser Senfgas, wer hat unsere Milzbrandviren geklaut?" Sie hätten am liebsten eine weltumspannende Kriegskoalition gebildet, um einige Kurden zu rächen, Statuen zu stürzen und Paläste zu plündern. Nun sind sie auftragsgemäß, aber legitimationslos losmarschiert Richtung Abgrund.

Nach drei endlos langen Wochen ist das K-Ziel erreicht: Kaos Krankheit Katastrofen. Nur das Ölministerium in Bagdhad blieb zufällig von Plünderern verschont, so wie das Bankenviertel von Basra und selbstverständlich die Ölfelder, die fette Beute Dick Cheneys und Konsorten. Sie werden noch geplündert werden, allerdings nicht von abgemagerten irakischen Schiiten, auch nicht von kurdischen Söldnern. Die weißen Emporkömmlinge wissen moralische Vorstellungen sehr genau den jeweiligen Umständen anzupassen.

Rashid Strasse in Bagdhad

Die Zerstörung, Verseuchung und anschließende Plünderung eines ganzen Landes, dessen Soldaten sich mit völlig unterlegenen Mitteln tapfer gegen die Invasoren zur Wehr gesetzt hatten und dessen kultivierte Bevölkerung bis zuletzt in beeindruckender Weise gelassen geblieben war, wird sich als schwärende Wunde erweisen. Der Frieden wird wie ein Berg gestrandeter Walfische seinen giftigen Kadavergeruch noch intensiver verbreiten als der Krieg.

Die Bilder verseuchter krebskranker Kinder haben sich trotz ihres Zwecks, Spenden einzutreiben und das "Ich klage an!" gewissenhaft zu entpolitisieren, in mein Gedächtnis eingebrannt; ebenso wie der obszöne, ja geradezu affenartige Tanz, den ein amerikanischer Sergeant mit seinem automatischen Gewehr vor der unbewaffneten Phalanx muslimischer Menschen aufführte, die die Heiligtümer in Nadschaf vor dem Eindringen der Barbaren mit ihren bloßen Händen beschützen wollten: die Gestik eines Schimpansen in Hightech-Montur, hilflos um Sympathie heischend. Leider hatten die frommen Muslime keine Banane zur Hand, als Gastgeschenk, als Beruhigungsmittel gegen Amphetamine und andere chemische und mentale Drogen, unter deren Einfluß die Todesengel des Pentagon gewöhnlich ihren Job tun.

 

Dr. Seltsam, der einige Wochen lang in Deckung gegangen war, tauchte am Ende wieder auf in den Studios und verlangte von den 500 Millionen Kritikern des Angriffskriegs unverhohlen eine öffentliche Entschuldigung wegen ihres Verrats am Präsidenten. Hilfe! Hilfe! murmelten daraufhin die Klone und Mutanten leise und schauten auf ihre leeren Geldbörsen. Irgendjemand hatte ihr Geld klammheimlich in die Kriegskassen der Freunde transferiert.

Man muß - wie George W.'s anderthalbjährige Desertion von der Luftwaffe der Nationalgarde in Houston gezeigt hat - nicht beinamputiert oder querschnittsgelähmt sein, um vor Einberufung und freundlichem Feuer sicher zu sein. Es genügt einfach, Bush zu heißen oder, als außenpolitischer Sprecher einer konservativen Partei, bereits im Rollstuhl zu sitzen.

 

Kanonendonner aus der Ferne und das Sterben arabischer Untermenschen in Hekatomben wirkte beruhigend auf Dr. Seltsam. Das K-Programm der Freunde lief nun schon viele Jahre lang erfolgreich und ließ sich nach dem großen Anschlag als Übergang in den vierten Weltkrieg konsequent weiterverfolgen. Noch einmal zitierte er den berühmten Satz seines verschollenen Freundes M. alias Dr. Johannes Offenbach aus dem Jahre 1977: "Wir denken nach über Brandspuren auf der Netzhaut, blinde Flecke, Wunden und Narben aller Art. Besser wäre es, das Auge des Zyklons zu sein." (1) Seine rechte Hand zuckte diesmal nur leicht, als Utah Zwingli den Gelähmten hinaus auf die Flure des Sendekomplexes rollte. (Trotz dieser menschlichen Geste würde ihre Popularität bei den Klonen und Mutanten der Mittelländer auch heute wieder etwas sinken.)

Freundeskreis die Freunde e.V.

In den abendlichen Kuschelstunden des Fernsehsenders Phoenix und in ähnlich bedächtigen Runden wird derweil unter politisch korrekter Regie das Fell des Bären Abend für Abend neu verteilt. Einige sagen, er sei bereits erlegt, andere bestreiten dies. Orientalisten und ein paar ganz zahme Exemplare des homo iraciensis fressen aus der Hand gutmütiger Moderatoren w/m und äußern sich über die unendlich vielen Möglichkeiten einer prowestlichen und israelkompatiblen Regierung mit Sitz in Bagdhad. Die Freunde in Washington sind live zugeschaltet und werden besonders dann hellhörig, wenn ein deutscher Professor neben den üblicherweise geforderten blauen Engeln der UNO allen Ernstes den an sich naheliegenden Vorschlag macht, die Arabische Liga solle - "zumindest für eine gewisse Zeit" - die Oberhoheit über das Gebiet des Irak bekommen.

In solchen Momenten politischer Beschaulichkeit liebe ich Deutschland und seine Deutschen.

(1) zit. nach: Das Abschnappuniversum. 14 neue deutsche Erzähler. (Hrsg.) Oskar Roehler. Darmstadt (Luchterhand) 1984, S. 154.

Die Diskussion von "Warniks" und "Peaceniks" über den Irak wurde am 11.April 200 sehr klug zusammengefaßt von Julian Barnes - This war is not worth a child's finger - zu finden unter
http://www.guardian.co.uk/Print/0,3858,4645826,00.html

Ausserordentliche Fotos des Fotografen Peter Turnley "The Unseen Gulf War" finden Sie auf der Seite:
http://www.digitaljournalist.org/issue0212/pt01.html
Einen brillianten Artikel über die angeblich spontanen Plünderungen und Brandschatzungen im Irak hat Robert Fisk im britischen Independent verfaßt:
http://argument.independent.co.uk/commentators/story.jsp?story=397925
Zum selben Komplex, warum die USA zur Plünderung und Brandschatzung ermutigt haben, schreibt Patrick Martin auf der World Socialist Website:
http://www.wsws.org/articles/2003/apr2003/iraq-a15_prn.shtml
Wichtige, aber meist unerwuenschte Informationen über das Weltgeschehen finden Sie auf der taeglich aktualisierten Seite
http://www.whatreallyhappened.com/
Und nicht zuletzt ist die Seite des amerikanischen Filmemachers Michael Moore, u.a. wegen ihrer Links, sehr lesenswert:
http://www.michaelmoore.com

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Berlin, 16. Februar 2003

Ich habe am heutigen Sonntag Condolezza Rice auf dem amerikanischen Sender NBC eine halbe Stunde lang zugehört. Danach war mir zweierlei klarer als je zuvor: 1. was religiöser Fanatismus bedeutet und wie verhängnisvoll er sich zur Zeit auf die Weltpolitik auswirkt und 2. dass an einer kriegerischen Eroberung des Irak durch die amerikanischen und britischen Streitkräfte kein Weg vorbeiführen wird. Zu 1.) Condy's oberstes Axiom (1) lautet: Böse sein=Massenvernichtungswaffen besitzen. Saddam ist der Teufel und das Böse in Person. Weil er das Böse in Person ist, hat er auf jeden Fall Massenvernichtungswaffen. Sollten die Inspektoren keine solchen finden, dann zeigt das lediglich, daß Saddam nicht nur ein Besitzer von Massenvernichtungswaffen ist, sondern besonders böse, weil er außerdem ein Lügner und Betrüger ist.


Zu 2.) Ein weiteres Axiom (2) von Mrs. Rice lautet: Krieg=Entwaffnung und umgekehrt Entwaffnung=Krieg. Saddam hat zu beweisen, dass er nicht im Besitz von Massenvernichtungswaffen ist (amerikanische Interpretation der UNO-Resolution). Da er aber böse ist, ergo im Besitz von Massenvernichtungswaffen (s.o.), kann er nicht beweisen, dass er nicht in deren Besitz ist. Darum muß ihn auf jeden Fall jemand entwaffnen. Weil die UNO-Inspektoren keine Massenvernichtungswaffen finden, ist er ein Betrüger und folglich muß seine Entwaffnung umgehend durch gute und ehrliche Krieger erfolgen.

Gute und ehrliche Krieger=Amerikaner und Engländer ist ein weiteres Axiom (3) der klugen Condolezza. Da nun die Vorbereitung des Angriffs auf den Irak fast oder bereits abgeschlossen ist, ist das weitere Suchen der UNO-Inspektoren nur sinnlose Zeitverschwendung. Die für die Inspektionen benötigte militärische Drohkulisse wird darüberhinaus zu kostspielig. (Axiom (4): Zeit=Geld; Axiom (5): Geldverschwendung=Sünde. Daraus folgt: Abwarten=Sünde, ergo: bald losschlagen!).


q.e.d.

Am Ende des Interviews vergaß der etwas behäbige Journalist des NBC Mrs. Rice zu fragen, ob der Krieg gegen Saddam nicht zwangsläufig den Einsatz von Massenvernichtungswaffen einschließen wird. Schließlich habe ein mysteriöser Mister Zack - der aber zweifellos Amerikaner war und aus dem Umkreis ihrer Chemiewaffenlabors stammte - bereits kurz nach dem Anschlag auf das WTC am 11.9.01 Milzbrandviren an Journalisten und Kongreßmitglieder per Post versandt.

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